Warum passiert so wenig?

Die Immobilien Zeitung berichtet am 25. Oktober 2024 , dass die energetischen Sanierungsziele für den Gebäudebestand erneut deutlich verfehlt werden:

Dem Ziel von 2% stehen Sanierungsraten von 0,7% (2023) und 0,72% (2024) gegenüber. Die absoluten Zahlen für 2025 erinnern gefährlich an das bevorstehende Drama im Wohnungsneubau:

460.000 Wohneinheiten müssen jährlich, aber nur 275.000 werden energetisch modernisiert.

Warum passiert so wenig im Angesicht der drohenden Szenarien?

Wir können Inkompetenz und fehlendes Wissen um die Problematik ausschließen:
„Wir haben kein Wissensproblem!“ (Alle Referenten auf dem Tag der Immobilienwirtschaft 2024)

Auch müssen wir fehlende Ressourcen wie Dämmung, Gerüst und Gerät derzeit ausschließen. Je länger die Player am Markt mit der energetischen Modernisierung ihrer Bestände warten, desto schwieriger wird es, menschliche und andere Ressourcen für die anstehenden Projekte zu finden.

Erwartungsgemäß wird der Markt für den Verkauf von nicht sanierten Objekten auch schwieriger und Preisabschläge für Stranded Assets müssen irgendwann realisiert werden.

Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten der Player bietet die Spieltheorie mit dem sog. Gefangenendilemma (GD):

Egon und Benny werden wegen eines leichten Vergehens überführt. Die Anklage hat Anhaltspunkte für eine schwerwiegender Tat, deren Beweislage aber dünn ist. Deshalb bietet die Staatsanwaltschaft beiden unabhängig voneinander eine Kronzeugenregelung an.

Daraus ergibt sich für sie folgendes Dilemma:

Das GD zeigt, wie individuelle Rationalität zu einem anderen Ergebnis führt als kollektive Rationalität: gestehen und straffrei ausgehen versus beide schweigen. Es wird auch deutlich, dass das Handeln nach rein individueller Rationalität erhebliche Risiken birgt: Beide erhalten 7 Jahre statt nur einem Jahr Gefängnis.

Bei der energetischen Modernisierung von Wohnbeständen sehen Assetmanager zurzeit Vorteile für ihre Investoren, wenn sie die notwendigen Maßnahmen verschieben oder unterlassen (siehe dazu auch IZ vom 31. Mai 2024 „Keine Eile beim Modernisieren von Bestand“) = individuelle Rationalität. Während eine kontinuierliche Ertüchtigung zur Klimaneutralität der über 20 Millionen Gebäude in den verbleibenden 25 Jahren dem Ziel deutlich näher käme = kollektive Rationalität.

Die Lösung besteht darin, die Handlungskoordination nicht länger den ESG-Selbstverpflichtungen der Player zu überlassen, sondern die Qualität der Anreizsysteme deutlich zu verbessern, denn es ist keinem der Player im GD zumuten, aus moralischen Gründen den höchsten Preis zu zahlen.